Gründe für die Überarbeitung: Neue wissenschaftliche Erkenntnisse sollen besser berücksichtigt werden, ebenso allgemeine Ernährungsempfehlungen. Widersprüchlichkeiten aus den Anfangsjahren sollen behoben werden.
Auf 1200 Marken in Deutschland vertreten
Den Nutri-Score haben unabhängige Forschende aus Frankreich und Großbritannien entwickelt, damit Verbraucher sich über ein leicht verständliches System schnell über das Nährwertprofil von Lebensmitteln informieren können. Die französische Gesundheitsbehörde Santé publique ist für den Nutri-Score verantwortlich und hat die neue Berechnungsbasis veröffentlicht.
Sie berücksichtigte Rückmeldungen von Fachleuten, Verbraucherschutzorganisationen und Anbietern aus sieben Ländern, in denen der Nutri-Score seit einigen Jahren zum Einsatz kommt. Neben Deutschland – wo der Nutri-Score 2020 eingeführt wurde – sind das Belgien, Frankreich, Luxemburg, die Niederlande, Spanien und die Schweiz.
Bis Ende 2023 nutzten ihn hierzulande rund 800 Anbieter für etwa 1200 Marken, teilte das Bundesministerium für Ernährung mit. Wer für eine Marke einen Nutri-Score beantragt, muss alle Produkte dieser Marke damit ausstatten.
Nutri-Score verrechnet positive und negative Inhaltsstoffe
Die Algorithmen für den aktualisierten Nutri-Score haben sich verändert, aber das Berechnungsprinzip ist gleich geblieben:
Positivpunkte für die guten Nährwerteigenschaften Ballaststoffe, Eiweiß und hohe Pflanzenanteile werden mit Negativpunkten für die schlechten Nährwerteigenschaften Energie, Salz, Zucker und gesättigte Fettsäuren verrechnet. Der Nutri-Score bezieht sich dabei auf 100 Gramm oder 100 Milliliter eines Produkts, nicht auf die Portion. Das Bewertungssystem für Getränke ist strenger als für die anderen Produkte.
Absteiger: Nachteilige Inhaltsstoffe stärker abgewertet
Bei etlichen Produkten verschlechtert sich nun der Nutri-Score, weil unvorteilhafte Inhaltsstoffe jetzt negativer zu Buche schlagen:
- Salzreiche Produkte. Lebensmittel mit viel Salz werden strenger eingeordnet. Neuerdings gibt es 20 Punkte, die sich negativ auf den Nutri-Score auswirken können. Früher waren es maximal 10.
- Zuckerreiche Produkte. Nun fließen bis zu 15 Negativ-Punkte für hohe Zuckergehalte in die Rechnung ein, vorher maximal 10 Punkte. Ein Schwachpunkt: Die hohe Referenzmenge für die tägliche Zuckerzufuhr von 90 Gramm Zucker pro Tag ist geblieben. Laut Weltgesundheitsorganisation WHO sollte ein Mensch maximal 50 Gramm Zucker pro Tag aufnehmen, ideal wäre nicht mehr als 25 Gramm.
- Getränke mit Süßstoffen. Hersteller können nicht mehr Zucker durch Süßstoffe ersetzen, um den Nutri-Score zu verbessern. Für zugesetzte Süßstoffe gibt es nun Negativ-Punkte in der Nutri-Score-Berechnung.
- Rotes Fleisch. Rind, Schwein, Lamm – wenn ein Produkt rotes Fleisch enthält, kann es bestenfalls die Stufe C erreichen. Grund: Die Weltgesundheitsorganisation stuft rotes Fleisch als wahrscheinlich krebserregend ein.
- Milch und Pflanzendrinks. Mit der Reform fallen Milch, Getränke mit einem Milchanteil von mindestens 80 Prozent und Pflanzendrinks in die Kategorie Getränke. Zuvor wurden sie wie feste Lebensmittel bewertet, wodurch etwa mehr Fett und Kohlenhydrate als in klassischen Getränken toleriert wurde. Das heißt: Fettarme Milch bekommt statt A ein B, Vollmilch statt B ein C.
Nachteil: Anbieter haben bis Ende 2025 Zeit, die Nutri-Score-Kennzeichnung auf den Verpackungen anzupassen. So lange können in Supermarktregalen alter und neuer Maßstab nebeneinanderstehen – für die Kundschaft schwer zu durchblicken.
Auswählen, einkaufen, zubereiten: So nutzen Sie den Nutri-Score
- Vergleichen. Abgepackte Produkte einer Kategorie lassen sich dank Nutri-Score gut miteinander vergleichen – zum Beispiel Pizza mit Pizza, Joghurt mit Joghurt.
- Zubereitung mitbedenken. Bei Produkten, die noch erhitzt werden müssen, bezieht sich die Skala auf den unzubereiteten Zustand. Durch die Zugabe von Fett oder das Verdunsten von Wasser können sich Nährwerte ändern.
- Grenzen kennen. Der Nutri-Score zeigt nur das Profil für die Parameter Zucker, Salz, Eiweiß, Fettqualität, Ballaststoffe an. Er sagt nichts aus über Vitamine oder Mineralstoffe.
- Nachrechnen. Falls auf der Packung genügend Angaben zum Inhalt gemacht sind, können Sie den Nutri-Score nachrechnen. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft bietet dazu eine Tabelle an, die sich im Abschnitt Berechnung des Nutri-Score finden lässt.
Aufsteiger: Gute Inhaltsstoffe stärker belohnt
Gesundheitsförderliche Inhaltsstoffe in Lebensmitteln wertet der neue Nutri-Score auf. Hier einige wichtige Beispiele:
- Wasser. Wasser inklusive Mineralwasser darf als einziges Getränk noch ein hervorstechendes A tragen. Alle anderen Getränke – auch aromatisiertes Wasser oder sehr leicht gesüßte Getränke – landen in schlechteren Kategorien.
- Ballaststoffreiche Produkte. Verbraucherinnen und Verbraucher können ballaststoffreiche Vollkornprodukte besser von ballaststoffärmeren Varianten unterscheiden, da Letztere schlechter eingestuft werden. Durch diese Änderung lassen sich etwa Brote künftig wesentlich differenzierter bewerten.
- Fetter Fisch. Lachs, Hering, Makrele – unzubereiteter fetter Fisch bekommt jetzt ein A, weil er reich an Omega-3-Fettsäuren ist.
- Nüsse und Öle. Nüsse, Saaten, Pflanzenöle wie Olivenöl kamen bisher wegen ihres hohen Fettgehalts beim Nutri-Score schlechter weg, als es ihrem Stellenwert in einer gesunden Ernährung entspricht. Viele Pflanzenprodukte liefern reichlich wertvolle ungesättigte Fettsäuren, die etwa vorteilhaft auf Herz und Kreislauf wirken. Im neuen Berechnungsmodell bilden Nüsse, Saaten und Pflanzenöle eine eigene Kategorie: Darin wird der Energiegehalt und der Anteil an gesättigten Fettsäuren anders bewertet als bei anderen Lebensmitteln. Viele unbehandelte Nüsse verbessern sich von B auf A, Pflanzenöle von C auf B.
- Eiweißreiche Produkte. Ein hoher Proteingehalt beeinflusst den Nutri-Score nun günstiger als früher. Eiweißreiches Geflügelfleisch, Fisch oder Tofu bekommen mehr Positivpunkte fürs Protein.
Nutri-Score wird kontrolliert
In Deutschland hat das Bundesministerium für Ernährung das gemeinnützige Unternehmen RAL mit der Kontrolle des Nutri-Scores betraut. Es ist auf Kennzeichnung spezialisiert und prüft seit Mai 2023, ob Anbieter die Vorgaben richtig umsetzen. Die Geschäftsführung des RAL erklärte Anfang 2024 gegenüber der Stiftung Warentest, dass bisher nur leichte Verstöße aufgefallen seien. Anbieter würden den Nutri-Score überwiegend richtig berechnen.
Nicht immer stimmig: So fiel der Nutri-Score in Tests auf
Die Stiftung Warentest überprüft den Nutri-Score in ihren Lebensmitteluntersuchungen. Hier eine Auswahl kritischer Funde:
- Falsche Bestnote: In einer Veggie-Bratwurst im Bratwurst-Test entlarvten die Tester einen Rechenfehler. Das Produkt warb mit dem Bestwert A, obwohl ein C korrekt gewesen wäre.
- Zucker kam zu gut weg: Zwei Schoko- und zwei Honig-Cerealien-Produkte trugen den bestmöglichen Nutri-Score A auf der Verpackung, obwohl sie viel zu viel Zucker enthielten. Das war nach dem bisherigen Rechenmodell möglich, weil ein gewisser Ballaststoffanteil hohe Zuckergehalte ausgleichen konnte. Nach dem neuen Modell ist das nicht mehr möglich: Die betroffenen Cerealien würden im Buchstaben-Ranking abrutschen.
- Frittierfett kommt obendrauf: Der Nutri-Score auf 15 Pommes-Produkten bezog sich auf den unzubereiteten Zustand. Doch nur wenige Anbieter wiesen darauf hin, dass sich etwa die Bewertung A durch Frittieren um ein bis zwei Stufen verschlechtern könne. Die neuen Regeln für den Nutri-Score halten Anbieter von frittierbaren Produkten zu genau dieser Transparenz an, verpflichten sie aber weiter nicht.